Sieh um Dich – Kontext, Text zwei

Mikkel Bogh

ARS COMBINATORIA

 

Bemerkungen zu Michael Schulzes Technik



Schon eine erste, eilige Durchsicht von Michael Schulzes Produktion der letzten vier Jahre zeigt, dass wir es mit einem höchstgradig heterogenen Werk zu tun haben. Es ist nicht nur unmöglich, Konturen eines konsistenten Stils zu erkennen, der Schulzes Objekte und Skulpturen über die Jahre zusammenhielte – nein, schon die einzelnen Werke sind so uneinheitlich, ihre Themen und Bezüge so vielfältig, die Verwendung des Materials so überraschend, dass man sich unwillkürlich fragt: Worin besteht der Zusammenhang, welches konzeptuelle Bindemittel teilt uns mit, dass die Werke aus ein und demselben Labor stammen?



Auf die Fragen eine vorschnelle Antwort zu geben, hieße freilich genau die Kraft verkennen oder übersehen, mit der das Heterogene in Schulzes Dingen arbeitet. Nun besteht gewöhnlich jeder konstruierter Gegenstand, sei er nutzbetonter oder künstlerischer Art, aus zusammengefügten Teilen und hat insofern eine heterogene Natur. Allerdings zeichnet sich künstlerische Arbeit durch dadurch aus, dass sie den Dingen und Gegenständen des Alltags den Gebrauchswert nimmt, so dass wir mit leeren Schalen, Resten, Überbleibseln, reinen Überflüssigkeiten zurückbleiben. In diesem Zustand werden die Übergänge zwischen den Einzelteilen nicht durch einen Funktionszusammenhang kaschiert, sondern treten im Gegenteil als Bruch, als Diskontinuitäten hervor, welche wiederum einen Raum für Reflexion und sinnliche Wahrnehmung abgeben. Statt also Kunstwerke mit Fragen wie „Was ist der Sinn…?“ und „Was bedeutet…?“ zu konfrontieren, möchte ich eher fragen: Wie entsteht der Sinn hier, wie, d.h. auf welche Weise bedeuten diese Werke?



Die Frage drängt sich in Verbindung mit Schulzes Arbeiten umso mehr auf, als diese sich weder durch irgendeine Funktion noch durch klare Aussagen und Themen bestimmen lassen, sondern eher durch ihre Oszillierten zwischen Funktion und Dysfunktion, zwischen Ausdrucksfülle und Materialwiderstand gekennzeichnet sind. Ich möchte mit anderen Worten behaupten, dass nicht ein tieferer, “sinnvoller“ Zusammenhang Schulzes Arbeiten – intern wie extern – zusammenhält, sondern ihre fragende Natur. Und wonach diese Arbeiten fragen, ist nichts Geringeres als, wie Zusammenhang und Bedeutung überhaupt konstituiert werden.



Diese Bestimmung ist zugegebenermaßen zu breit, um eine spezifische Praxis einzukreisen. Doch darf man hier nicht die sinnfällige Tatsache vergessen, dass das Besondere eines Werkes einerseits ein kompliziertes Spiel zwischen Konzepten universellen Charakters ist, das es mit anderen Kunstwerken und sogar mit der Philosophie gemeinhaben kann, und andererseits sein eigener, einzigartiger Aufbau, kurz, sein Aussehen. Von daher kann das Kunstwerk als Schnittpunkt betrachtet werden, wo lokales und präzises Übergänge, Oberflächenvibrationen, Farbnuancen und Materialeffekte mit „globalen“ Kategorien, Verstandesbegriffen, wie Kant sagen würde, in Wechselwirkung stehen. Einen der beiden Pole von der Analyse oder, wenn man so will, der Erschaffung des Werks auszuschließen – indem man entweder die unmittelbaren Wahrnehmungen und das unmittelbare Erlebnis als wesentlichste Qualität hervorhebet oder aber das Werk in reiner, formloser Theorie aufhebt –, würde zu einer unangemessenen Reduktion führen. Schulzes Arbeiten suchen keine Zuflucht in einem dieser Lager, die in der neueren Kunstgeschichte oft die Form miteinander streitender ästhetischer Postionen angenommen haben. Sein Unternehmen ist labyrinthischer und insofern verwundbarer.

Meiner Meinung nach können sich die konzeptuellen und perzeptuellen Impulse eines Kunstwerks in der Frage der Technik treffen. Es ist unübersehbar, welchen hervorragenden Platz das Technische bei Schulze einnimmt, auf bildlicher wie konstruktiver Ebene. Wichtige semiotische Implikationen der maschinellen Aspekte seiner Arbeiten hat Hans Dieter Bahr bereits indem Buch Machinationen aufgezeigt, das Schulzes Produktion bis 1986 umfasst. Seither ist Neues hinzugekommen, dessen Maschinenbezüge nicht so offenbar sind, wo der Technikbegriff freilich nicht weniger relevant ist. Es versteht sich von selbst, dass „Technik“ über die rein handwerklichen Momente eines Kunstwerks hinaus geht. Eine Technik ist die Art, wahrzunehmen und zu denken, sie betrifft die Produktionsweise des Werkes selbst, in der Ausführung und Idee, die die Ästhetiker weiland strikt auseinanderhielten, intim verknüpft sind. Aber wie ist Schulzes Technik denn? Wie wird das Technische in seinen Werken thematisiert? Um dies zu beleuchten, kann ein Blick auf die kunstgeschichtlichen Voraussetzungen seiner Arbeit von Nutzen sein.



Wir wissen, dass verschiedene Kunst- und Philosophie- Avantgarden des 20. Jahrhunderts das Projekt der Romantik in mancherlei Hinsicht fortsetzen: Die Vorstellung einer Eigentlichkeit oder Essenz des Daseins, die vom Gespinst des sozialen Lebens verhüllt ist, eine Natur, der der Mensch entfremdet gegenübersteht und zu der die Kunst Zugang schaffen kann, und die Idee des Künstlers als Schöpfer, der diese Natur nähersteht als die sozialisierten Individuen, gibt es so in verschiedenen Versionen in der Kunstphilosophie vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in unser Jahrhundert hinein.

Andererseits wissen wir auch, dass die Bewegungen der Avantgarde vom Genie- und Ursprungskult Abstand zu nehmen begannen, weil er an den genuin philosophischen Potentialen dieser Ästhetik festhielt. Selbstredend ist die Bewegung von Romantik zu Avantgarde – falls man diese grobe Unterscheidung überhaupt respektieren will – ein ungeheurer komplizierter Prozess, der in knapper Form nur unbefriedigend beschrieben werden kann. Dennoch möchte ich einen Moment anführen, das mir diesen Übergang zu kennzeichnen scheint: Im Gegensatz zur romantischen Auffassung von Kunstwerk als Symbol, das in organischer Verbindung mit einer Ursprungsquelle steht – dem Innersten des Künstlers, einer authentischen Natur, den Ideen-, begreift die Avantgardekunst das Werk zunehmend als Operation oder Produktion, deren Material bereits geschriebenen Texte oder angefertigte Bilder sind. Damit entfernt sich die Kunst einen entscheidenden Schritt vom klassischen Repräsentationsbegriff, demzufolge das Werk einen Spiegel der Welt oder eine Art Fenster zur Welt darstellt, und schnürt mit dieser Entfernung jede Stabile Bezugsgrundlage ab. Das Werk, der Text sprechen nicht mehr mit einer Stimme, sondern mit verschiedenen und oft widersprüchlichen: das Kunstwerk wird polyphon, zuweilen Heterophon, und weist nach und nach auf eine Intersexualität, die nun zu seinem Existenzraum wird.

Diese neue Werkkonzeption setzt sich bekanntlich mit Dadaismus und Surrealismus am klarsten durch, womit wir auch bei einigen Wegbereitern Michael Schulzes angelangt sind. Mit Hilfe des Montageprinzips, das untrennbar mit der fotografischen Technik verbunden ist, sprengen die Arbeiten dieser Kunstrichtungen die Einheit, die das klassische Kunstwerk kennzeichnet, und indem sie die Repräsentation überschreiten, werden sie, mit einer Formulierung Julia Kristevas, zur “Inskription ihrer eigenen Darstellung“. Das heißt, dass die Arbeiten von nun an sicht- oder lesbare Spuren ihrer eigenen Produktion tragen, ihre Bedeutung Tragen, ihre Bedeutung tritt nicht mehr als abgerundetes Ganzes zutage, sondern wird im Unentschiedenen belassen: das Werk wird a work in progress. Die literarische oder bildkünstlerische Montage enthält meist eine Zusammenstellung, eine Kombination von Fragmenten, die aus den verschiedensten Zusammenhängen stammen. Das ist an und für sich nicht epochal, denn so verhält es sich auch mit klassischen Texten und Kunstwerken. Wesentlich ist jedoch, dass die Montage, mit Adornos Worten, „die Wunde offenhält“. Dadurch erhalten Betrachter und Leser ganz unmittelbar Zugang zur Entstehung des Werks und dessen technischen Handgriffen.

Nicht zufällig entwickelt Walter Benjamin ungefähr gleichzeitig mit diesen Kunsttendenzen, und gerade auch inspiriert vom Montageprinzip, einen technischen Werkbegriff, der u.a. auf die Überwindung des Gegensatzes von Form und Inhalt, der zum organischen Werkbegriff gehört, und darüber hinaus, in erweiterter Perspektive, auf die Überwindung der Trennung von Geistes- und Naturwissenschaften zielt. Wenn ich Benjamin in diesem Zusammenhang nenne, liegt das vor allem an der wohlbekannten biografischen Besonderheit, dass dieser marxistische Denker, dessen Hauptfeind der fetischistische, von kapitalistischen Produktionsbedingungen abhängige Kunstbegriff war, selbst leidenschaftlich vom Phänomen des Sammelns erfüllt war und der auratischen Ausstrahlung des Sammlerobjekts keinesfalls gefühllos gegenüberstand (vgl. „Ich packe meinen Bibliothek aus“ und „Eduard Fuchs, der Sammler und der Historiker“). Er legte sogar großen Wert auf den zufälligen, nicht-systematischen Charakter des richtigen Sammelns: der authentische Sammler habe im Gegensatz zu institutionellen Sammlungen keine wissenschaftlichen Prätentionen. Eher knüpfte sich die Sammlung, als „magische Enzyklopädie“, eng an den persönlichen Erfahrungshorizont des Sammlers, an seine Biografie an: „Jede Leidenschaft grenzt ja aus Chaos, die Sammlerische aber an das der Erinnerungen.“

Ich möchte dies These Aufstellen (die sich in diesem engen Rahmen jedoch nicht begründen lässt), dass Benjamins Faszination von Phänomen des Sammelns schlicht mit seiner Beschäftigung mit der künstlerischen Montage zusammenhängt, die ja wie die Sammlung eine Kombination mehr oder weniger zufälliger Objekte ist. Diese Kopplung erlaubt es, Montage und Assemblage als Ort oder, dramatischer, als Schlachtfeld zu verstehen, wo spezifische Ereignisse oder Episoden, die in der Erinnerung an gewisse Objekte geknüpft werden, auf die allgemeine oder soziale Struktur dieser Objekte treffen. So kann er das Montageprinzip ermöglichen, die Grenzen zwischen „Privatem“ und „Öffentlichem“ zu dramatisieren und auszuforschen, oder genauer: den Zusammenstoß zwischen dem dunkel Erinnerten, der Erinnerungsarbeit, und dem Bedeutenden, das zum Konflikt wird zwischen dem, was wahrgenommen, aber nicht gedacht, und dem, was gedacht, aber nicht gesehen wird. Mitnichten handelt es sich hierbei um das Streben nach irgendeiner Synthese oder Form von Versöhnung. Die Methode ist, wieder mit Benjamin, „eine Dialektik im Stillstand“.



Ich glaube, wir sind auf diesen verschlungenen Wegen tatsächlich an eine sehr zentrale Stelle in Michael Schulzes Kunst gelangt. Ich glaube auch, dass wir auf dem Hintergrund dieser ganz summarischen Darstellung einige markante Momente seiner Technik herausfiltern können, die historischen, biografischen und formellen Überlegungen miteinander verflechten – jenseits des romantischen Expressionismus und des reinen modernistischen Formalismus.

In einem kurzen Text in der Zeitschrift Leonardo Nr. 4, 1990, der wohl am ehesten eine Mischung von künstlerischem Kredo und Curriculum vitae genannt werden kann, schreibt Schulze über seine ‚Arbeitsmethode: „Die Dinge fallen einem zu, wenn man eine Strategie der Aufmerksamkeit entwickelt hat. Sammeln ist für mich ein mittlerweile instinktives Verhalten. Ich sammle nicht wie ein Antiquitätenhändler, der die Dinge wegen ihres Alters oder ihrer Schönheit bewahrt. Meine Intention ist eher, die Dinge als ‘Bausteine‘ zu benutzen, sie zu verarbeiten oder zu verändern. Im Atelier kommen die gesammelten Teile zusammen. Hier gibt es so etwas wie eine ‘Schrott-Enzyklopädie‘. Nicht nach Alphabet geordnet, sondern nach Vorlieben, Themen, Eigenarten oder Strukturen.“

Schulzes Worte verraten nichts über die Ordnung (oder deren Fehlen), die in einer Künstlerwerkstatt herrscht und für den Außenstehenden ohnehin nur von anekdotischem Wert ist. Sie zeichnen vielmehr ein äußerst präzises Bild einer Technik, die natürlich den fertigen Werken vorausgeht, aber am Ende des Prozesses noch sichtbar und wirksam ist, eine Technik und Sensibilität, die an unzähligen Punkten mit dem korrespondiert, was nach Benjamin eine radikale Privatsammlung kennzeichnet.

In vielen Fällen können Schulzes Aussemblage geradezu als Allegorien eines Arbeitsprozesses gesehen werden. Beispielweise in den vier rätselhaften „Versuchsgläsern“ (1989), die auf thematischer Ebene einen umkehrbaren Verlauf zeigen: auf dem Boden der Glaskolben liegen die Rohmaterialien, die in den übrigen Teilen wieder erscheinen, wo sie als Bekleidung für einige längliche, sich verjüngende Formen dienen. Eine Metamorphose hat hier stattgefunden, aber in welche Richtung? Ist das Rohmaterial, die Naturprodukte, der Ausgangspunkt dieses Prozesses, so wie das Farbpigment die materielle Voraussetzung einer repräsentativen Malerei ist, oder sind die Pflanzenformen im Gegenteil höchst raffinierte Produkte einer technologischen oder künstlerischen Phantasie? Die Frage bleibt bewusst offen. Die Pointe ist nämlich, dass zwischen reinem Naturding und reinem Kunstprodukt im Grunde keine schafte Grenze gezogen werden kann. Zwischen beiden Polen herrscht ein dynamisches Verhältnis. Einerseits sind Tannenzapfen, Blatt usw. schon fertige Dinge, Produkte objektiver Naturprozesse, andererseits enthalten die industriell und künstlerisch verarbeiteten Produkte ein Naturelement in sich, nämlich die Materie. Die Ironie der vier „Versuchsgläser“ liegt genau darin, dass z.B. der Tannenzapfen unmittelbarer verständlich ist als die spitze, bearbeitete Form, die nur schwer mit einem bekannten Gegenstand in Verbindung gebracht werden kann. Womöglich besteht ein wesentlicher Teil der künstlerischen Arbeit darin, erkennbare Formen ihres Sinnes zu entleeren, ohne jedoch dem Material eine andere, tiefere Bedeutung aufzubürden? So können diese vier Wandobjekte jedenfalls gedeutet werden: allegorisch – was wohl beinah zu buchstäglichen wäre.

Stellen wir uns noch einmal Michael Schulzes „Schrott-Enzyklopädie“ vor: In Schubläden und Kästen liegen Zapfen, Felle, ausgestopfte Tier, ausgedientes Werkzeug, Maschinenteile, Stofffetzen, Gartengeräte, kleine Motoren, Comics, getrocknete Pflanzen usw. usf.. Wir befinden uns nicht im Atelier des Pop-Künstlers: nicht die visuellen Klischees der Medienwelt warten darauf, reproduziert und ausgehöhlt zu werden. Wir blicken ganz einfach in eine Welt geschaffener Dinge, geschaffener und doch meistenteils unfunktioneller Dinge. Ausgangspunkt ist also zwar die Natur, wie Schulze an einer Stelle im oben genannten Text sagt, aber eine geschaffenen, intelligible und damit nicht die „rohe und ungeformte Natur“ des Romankritikers, der die Kunst nötigte, in jedem von ihr hergestellten Werk eine neue Welt zu schaffen. Schulzes Enzyklopädie ist eine schon geschaffene Welt und erscheint in diesem Sinne, könnten wir neckend sagen, wie eine klassische. Diese Welt muss nicht erst in der künstlerischen Arbeit gebildet und sichtbar gemacht werden: so wie sie daliegt, kann sie eingesammelt, auseinandergepflückt und wieder kombiniert werden, und genau das tut Schulze, indem er ihr doch mit derselben Bewegung ihren früheren Sinn entreißt: Ein Zapfen ist nicht nur ein Zapfen, ein Zahnrad nicht nur ein Zahnrad, sondern zugleich mehr oder weniger als das. Weniger, weil der Gegenstand in der Montage einige seiner eingeborenen Eigenschaften verliert, und mehr, weil er mit Assoziationen und Erinnerungen ausgestattet wird, die den Rahmen seines natürlichen Auftretens sprengen.





Inmitten dem oftmals wilden Bilderreichtum und der materialmäßigen Heterogenität dieser Assemblagen meine ich eine starke Zurückhaltung, einen Widerstand zu spüren, der mit den Jahren noch gewachsen zu sein scheint. Schulze selbst spräche bestimmt von einer Art Reduktion des Ausdrucks. Ich bevorzuge, zumal ‚“Reduktion“ kunsthistorisch zu sehr nach „Abstraktion“ schmeckt, das Wort „Zurückhaltung“.



Rückblickend wird deutlich, dass eine Formstraffung der Arbeiten vorgenommen wurde und damit zugleich ein gewisser Verzicht auf ihre assoziative Vielfältigkeit, was im großen Ganzen eine Schärfung des Ausdrucks mit sich geführt hat. Als Beispiel sei auf die Entwicklung von „Tacho Saurus“ (1982) über die großartigen „Helm- und Schuhverwandlungen“ (1985/86) bis hin zu „Admirals Gruft“ (1988) verwiesen. Noch entscheidender kommt mir jedoch vor, dass Schulze eine größere Zurückhaltung im Verhältnis zum Werk-Status überhaupt an den Tag legt, dass er – übrigens mit Hilfe der formellen Straffung – einen gewissen Widerstand gegen einen zu raschen Transformationsprozess leistet, indem das Werk so leicht zu einer allzu zügellosen und überdeutlichen Erzählung wird.

Die Art, wie die Werke im Unentschiedenen belassen werden, ist im hohen Grade eine Frage der Technik, von der wir uns vielleicht einen Begriff machen können, wenn wir Martin Heideggers Ursprung des Kunstwerkes zu Hilfe nehmen. Darin unterscheidet er zwischen 1) dem bloßen Ding, 2) dem Zeug und 3) dem Werk – drei Phasen in der Transformation eines Gegenstandes vom Ding- zum Werkstadium, wo freilich kein Stadium in reiner Form gedeiht: das Ding hat Zeugcharakter, das Zeug hat Werkcharakter, und das Kunstwerk ist sowohl Zeug als auch ding. Im Kunstwerk, sagt Heidegger, verliert das Zeug seine Dienlichkeit, weil das Kunstwerk selbst undienlich ist. Aber gerade durch diese Undienlichkeit kann das Werksein des Werkes und das Zeugsein des Zeuges – in den gelungensten Kunstwerken – zugänglich gemacht werden.

Bei Schulze verschlingen sich diese drei Stadien ineinander, die Werke sind sowohl Werke als auch Zeug und Dinge, und die Dinge aus seiner Enzyklopädie sind mehr als Dinge: sie sind bereits „Zeug“. Im Aussemblagen wie „Stelen (Reliquien)“ (1988) und „Admirales Gruft 1+2“ (1988) lässt sich beobachten, wie die Dinge im Werkzusammnenhang transformiert werden, aber gleichfalls wie der Werkcharakter in und mit den Dingen transformiert wird: Das Werk verwischt nicht die Spuren hinter sich, es trägt im Gegenteil seine Technik zur Schau. Dies ist Ausdruck einer Zurückhaltung gegenüber der, ein Widerstand gegen die Synthese des Werks. Und wenn Schulze somit dem Werk die Vervollkommnung verwehrt – welche die technische und produktive Dimension verschleiert hätte -, muss man an Adornos düsteren und schönen Worte denken: „Das Fragment ist der Eingriff des Todes ins Werk. Indem er es zerstört, nimmt er den Makel des Scheins von ihm.“



Aus dem Dänischen von Peter Urban-Halle
Remarks on Michael Schulze's Technique

Even a first, hurried browse through the last four years of Michael Schulze's production shows that it is an extremely heterogeneous oeuvre. It is not only impossible to recognize any contours of a consistent style holding all of Schulze's objects and sculptures together over the years – no, even the individual works are so nonuniform, their theme and references so manifold, and the use of materials so surprising, that one automatically asks: what is the connection, what conceptual binder tells us that the works all come from one and the same laboratory?
Giving too swift an answer to these questions would, of course, oversee or mistake exactly the power with which heterogenity functions in Schulze's things. True, usually any designed object, whether of practical or of artistic work, characterizes itself by removing the practical value from things and objects, so that we are left with empty husks, remains, pure superfluities. In this state, the transitions between the individual parts are not hidden by a functional context, but rather emerge as a break, as discontinuities, which in turn provide space for reflection and sensual perception. So instead of confronting artworks with such as questions as “What is the sense...?” and “What is the meaning of....?”, I would prefer to ask: How does sense arise here, how, i.e. in what way do these works mean?
In connection with Schulze's works, the question presses all the more because they cannot be pinned down to a specific function or to any clear statements and themes, but are rather characterized by their oscillation between function and disfunction, between fullness of expression and the resistance of material. In other words, I would like to claim that Schulze's works are held together – internally – not by a deeper, “more significant” connection but by their questioning nature. And what these works ask is nothing less than how context and meaning are formed at all.
This determination is admittedly too broad to outline a specific practice. But here one shouldn’t forget the obvious fact that the particularity of a work is, on the one hand, a complicated interplay between universal concepts that it may have in common with other artworks or even with philosophy and, on the other hand, its own, unique construction, in short, its appearance. Thus an artwork can be regarded as an intersection where local and precise transitions, surface vibrations, color nuances, and material effects enter into mutual interaction with “global” categories, or as Kant would say, with terms of reason. To exclude one of the two poles from analysis or from the creation of the work – either by spotlighting the immediate perception and the immediate experience as its essential quality or by distilling the work into pure, formless theory – would lead to an unsuitable reduction. Schulze's works do not seek refuge in one of these two camps, which, in the recent history of art, have often assumed the form of adversarial aesthetic positions. His enterprise is more labyrinthine and thus more vulnerable.
In my opinion, the conceptual and perceptual impulses of an artwork can meet in the question of technique. There's no way to overlook the salient position that technique has for Schulze, on the level of the image as well as of construction. Important semiotic implications of the mechanical aspects of his works have already been elucidated by Hans Dieter Bahr in the book Machinations, which treats Schulze's production up until 1986. Since then, new work has come, in which the relationship to machines is less obvious, but for which of course the term technique is no less relevant. It is clear that “technique” goes far beyond the pure handcrafts aspects of an artwork. A technique is a manner of perceiving and thinking; it has to do with the manner of producing the work itself, in which execution and idea – sometimes strictly separated by aestheticians – are intimately entwined. But what is Schulze's technique? How do his works turn technique into theme? To illuminate this, a look at the art historical preconditions of his work may be helpful.


We know that the various avant gardes of 20th century art and philosophy extend the project of Romanticism in several ways: the idea of an authenticity or essence of existence veiled by the net of social life, of a Nature from which humans are alienated and to which art can provide access, and the idea of the artist as a creator standing closer to this Nature than socialized individuals are all parts of various versions of art philosophy from the end of the 18th century until well into our own century.
On the other hand, we also know that the movements of the avant garde began to distance themselves from the cult of the genius and of origin because it clung to the genuinely philosophical potentials of this aesthetic. Of course the movement from Romanticism to the Avant Garde – if one wants to respect this differentiation at all – is an extremely complicated process, whose short description can only be unsatisfying. But I would like to mention an aspect that seems to me to characterize this transition: in contrast to the Romantic idea of the artwork as a symbol standing in organic connection with an original source – the innermost soul of the artist, authentic Nature, the ideas –, avant garde art increasingly takes the work as an operation or production taking already written texts or finished pictures as its raw materials. By doing this, art takes a decisive step away from the classical idea of representation, according to which the work is a mirror of the world or represents a kind of window on the world, and , with this distancing, art severs connection with every stable referential foundation. The work of text no longer speaks with one voice but with differing and often contradictory voices: the artwork becomes polyphonic, sometimes hetereophonic, and gradually unfold an intertextuality that becomes its space of existence.
This new concept of the work most clearly prevailed with Dadaism and Surrealism, which are some of Michael Schulze's antecedents. Using the principle of montage, which is inseparable from photographic technique, works in this field of art burst the unity that characterized the classical artwork. And by going beyong representation they become, to use Julia Kristeva's formulation, an “inscription of their own depiction”. This means that, from now on, works carry visiblee or legivle traces of their own production and their meaning doesn't emerge as a rounded whole, but is lef in undecidedness: the work becomes a work in progress. Literary or cisual artists' montage usually contains a bringing-together, a combination of fragments origination in the most various contexts. In and of itself, this is nothin revolutionary, since it is also the case with classical texts and artworks. What is essential is that the montage, in Adorno's words, “keeps the wound open”. Through this, the viewer or reader are given immediate access to the creation of the work and to its technique.
It no coincidence that, approximately simultaneously with these tendencies in art and inspired by the principle of montage, Walter Benjamin developed a technical concept of the work that aims, among other things, at overcoming the contrast between form and content inherent in the organic concept of the work and, beyond that, at overcoming the contrast between the natural sciences and the humanities, I mention Benjamin in this context because of the well-known biographical peculiarity that this Marxist thinker, who saw his primary enemy in the fetishistic concept of art dependent upon capitalistic conditions of production, was himself a passionate collector whose position in regard to the aura of the collector's object was unemotional (compare “I unpack my library” and “Eduard Fuchs, the collector and the historian”). In fact he greatly valued the coincidental, unsystematic character of true collecting: in contrast to institutional collections, the authentic collector has no scientific pretensions. Rather, the collection, as a “magical encyclopedia”, is closely bound up with the collector's personal experiences, horizon and biography: “Every passion borders on chaos; the collecting passion borders on the chaos of remembrances.”
I would like to propose the thesis (which cannot be supported in this context) that Benjamin's fascination with the phenomena of collecting is connected with his considerations of artistic montage, which, like a collection, is a combination of more or less coincidental objects. This connection allows us to see montage and assembly as the site or, more dramatically, the battlefield where specific events or episodes, tied in memory to certain objects, meet the general or social structure of these objects. Thus the principle of montage enables us to dramatize and explore the boundary between “the private” and “the public”, or, more precisely, the collision between what is dimly remembered – memory work – and that which is significant. This becomes the conflict between what is perceived but not thought and what is thought but not seen. In no way is this a striving toward any kind of synthesis or form of reconciliation. The method is, in Benjamin's words again, “a dialectic in standstill”.

I believe these tangled paths bring us to a very central spot in Michael Schulze's art. I also believe that, with the background of this very condensed elucidation, we can filter out several salient aspects of his technique that weave together historical, biographical, and formal considerations – beyond romantic Expressionism and purely modernistic Formalism.
In a short text in the magazine Leonardo, issue Nr. 4 1990, which can best be called a mixture of artistic credo and curriculum vitae, Schulze writes of his method of working: “Things come to one when one develops a strategy of attention. By now, collecting is an instinctive activity for me […]. I do not collect like an antique dealer, who preserves things for beauty or age. My intention is to use things as building blocks, to rework them or change them […]. The collected pieces are assembled in my studio, where I have what might be called an 'encyclopedia of junk', ordered not alphabetically but rather according to preferences […].”
Schulze's words reveal nothing about the order (or lack of it) in an artist's workshop, a topic of merely anecdotal value for an outsider. Instead, they draw an extremely precise picture of a technique that precedes the finished work, of course, but that is still visible and effective at the end of the process, a technique and sensibility that corresponds at innumerable points with what, according to Benjamin, characterizes a radical private collection.
In many cases, Schulze's assembles could be seen as allegories of a work process. For example, the four mysterious “Experimental Glasses” (1989) (p. 67), which show a reversible process on the thematic level: on the bottoms of the glass flasks lie the raw materials that appear in the other parts, where they serve as clothing for several long, tapering forms. A metamorphosis has taken place here, but in what direction? Are the raw materials, the natural products, the starting point of this process, in the way pigments are the material preconditions for representational painting; or are the plant forms the highly sophisticated products of a technological or artistic imagination? The question is intentionally left open. The point is that it really isn't possible to draw a clear line between a purely natural object and a purely artificial object. A dynamic relationship exists between both poles. On the one hand, pine cones, leaves, etc. are already finished things, products of objective natural elements, the material. The irony of the four “Experimental Glasses” lies precisely in the fact that, for example, the pine cones are more immediately understandable than the pointed, treated form, which is difficult to associate with a familiar object. Is it possible that an essential part of the artistic work consists in emptying familiar forms of their sense, but without burdening the material with another, deeper meaning? In any case, these four wall objects can be thus interpreted: allegorically – which would be almost too literally.
Let us imagine Michael Schulze's encyclopedia of junk once more: pine cones, pelts, stuffed animals, worn-out tools, machine parts, scraps of cloth, garden implements, small motors, comics, dried plants, etc. lying in drawers and boxes. We are not in the studio of a Pop artist: no visual cliches of the media world wait here to be reproduced and hollowed out. We simply glance into a world of created things, created and nevertheless nonfunctional things. While the starting point is thus nature, as Schulze says at one point in the text mentioned above, it is a created, intelligible nature and thus not the “raw and unformed Nature” of the Romantic, who coerces art to create a new world in every work it produces. Schulze's encyclopedia is an already created world and in this sense looks, we could tease him, like a classical encyclopedia. This world needs not be first formed and later made visible through artistic work: just as it lies, it can be collected, taken apart, and recombined – and that is exactly what Schulze does by removing its earlier meaning with the same movement: a pine cone is not just a pine cone, a gear is not just a gear but at the same time more and less than that. Less, because in the montage the object loses some of its native characteristics, and more, because it is outfitted with associations and memories that burst the shell of its natural appearance.
In the midst of these assemblies' often wild wealth of images and of the heterogenity of materials I think I sense a strong restraint and resistance, which seems to have grown over the years. Schulze himself speaks of a kind of reduction of expression. I prefer the word “restraint”, especially since, in the context of art history, the word “reduction” reeks too much of “abstraction”.
In retrospect it is clear that form was tautened in the works, thus eschewing their associative variety, which has, all in all, led to a sharpening of expression. An example is found in the development from “Tacho Saurus” (1982) through the grand “Helmet and Shoe Transformations” (1986/86) to the “Admiral's Crypt” (1988) (p.75). To me, it appears even more decisive that Schulze exercises a greater restraint in relation to the status as work, that – with the help of the formal tautening – he resists any overly swift process of transformation, in which the work could so easily become an all too unbridled and obvious story. The way which the works are left in undecidedness is to a very high degree a question of technique. Perhaps we can get an idea of this with the aid of Martin Heidegger's Origin of the Work of Art. In this book, Heidegger makes distinctions between 1), the mere thing, 2) Zeug, the material or tool, and 3) Werk, the work – three phases in the transformation of an object from the thing to the work phase, whereby of course no phase thrives in pure form: the Ding has Zeug character, and the artwork is Zeug as well as Ding. In the artwork, says Heidegger, the Zeug loses its serviceability, because the artwork itself is not serviceable. But precisely because of this unserviceability, the work's work-ness and the Zeug's Zeug-ness can be made accessible in the successful artwork.
These three phases entwine in each other in Schulze's works, which are works as well as Zeug and Ding, and each Ding in his encyclopedia is more than Ding: it is already Zeug. In assemblies like “Steles (Relics)” (1988, p. 61) and “Admiral's Crypt” 1+2 (1988, p. 75), one can observe how each Ding is transformed in the context of the work, but also how the character of the work is simultaneously transformed in and with each Ding: the work doesn't cover its trail behind it, but rather exhibits its technique. This is the expression of a restraint in relation to the work, of resistance against the work's synthesis. And if Schulze thus denies the work its perfection – which perfection would have veiled the technical and productive dimension – one remembers Adorno's gloomy and beautiful words: “The fragment is death's intervention in the work. Because it destroys the work, it removes from it the blemish of more appearance.”

Translated from Danish to German by Peter Urban-Halle
Translated from the German version by Mitch Cohen

 

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