Eine Reise in die musikalische Vergangenheit.
Wer kennt nicht die Momente, in denen ein Musikstück oder eine Melodie den Raum der Vergangenheit öffnet und uns in weit entfernte, erlebte Situationen zurück versetzt? Kulturgeschichtlich betrachtet, bieten diese Zustände den Stoff und das Motiv für unzählige Werke der Literatur, der Kunst und der Musik. Die Vergangenheit hütet ein Geheimnis, in das uns die Gegenwart kurzzeitig tiefe Einsichten gewährt.
Ich muss betonen, dass die Musik in unserem Leben eine wichtige Rolle spielte und dieses intensivierte. Uns, den Kindern der ersten Nachkriegsgeneration in Trier. Wir, die den Krieg glücklicherweise nicht mehr erlebt hatten.
Wir sollten es einmal besser haben, so das inbrünstige Versprechen und Vorhaben, das unzählige Male von den Eltern an die Kinder weitergegeben wurde. Die Eltern sollten recht haben.
Aber unbewusst wurde ebenso das Trauma des Krieges mit der Muttermilch an die Kinder weitergegeben durch Verhaltensweisen, Erinnerungen, Stimmungen und Lieder.
Aber es war auch nicht einfach: Die Demoralisierung des verlorenen Krieges. Das Neuerlernen eines komplexen Demokratieverständnisses und seine Regeln. Auch daraus ist zu verstehen: Melancholie ist das Leitmotiv vieler Lieder und Schlager der 1950er Jahre.
Und wir? Wir spielten in Trümmern, fanden „Blindgänger“ in den Ruinen der Nachbarschaft und gingen zum Religionsunterricht.
Wie wir heute wissen, zeichneten sich die 50er und 60er Jahre dadurch aus, dass eine vorhandene stigmatisierte Generationslinie von einer neuen jungen Generationslinie überkreuzt wurde und diese in der Geschichte Deutschlands einen nie dagewesenen Konflikt auslöste, der in seiner Dynamik in eine neue Jugendkultur mündete, die als Hippy- und Protestbewegung in die Sozialgeschichte einging und als radikales Phänomen in die Terrorerscheinungen der 60er und 70er Jahren führte.
Insgesamt muss ich sagen, dass mir durch die Musik, durch die Bands, Gigs und Auftritte und den Umgang mit vielen Menschen, Einblicke in gesellschaftliche und soziale Zusammenhänge gewährt wurden, die ich sonst in meiner Jugend vermutlich so nicht erlebt hätte.
Musik war eine Art therapeutisches Medium, welches mir und Freunden half pubertäre Melancholie, Probleme und Wallungen in Tönen Ausdruck zu verleihen.
Musik war ein Zufluchtsort neben der Realität; ein Idol, welches uns über die Vergangenheit des Landes unserer Eltern hinweghalf.
Während wir diesem Interesse und unserem bescheidenen musikalischen Können nachgingen, wuchs der so genannte „Wohlstand“ in Deutschland.
In der Musik kompensierte sich einerseits eine unbeschreibare Sehnsucht in uns und andererseits ein revolutionäres Verhalten, dass durch die Studentenrevolten dieser Zeit, sowie durch die Jugendkulturen in der Welt, wie Rock, Pop und die Hippiebewegung, beeinflusst war:
Alles anders als unsere Eltern zu machen!
Dies machte sich natürlich intellektuell, musikalisch, und vor allen Dingen im Outfit bemerkbar. Politik im Anzug war uns suspekt!
Die Musik war ein heiliges Ritual und das Proben in der Gruppe oder alleine zuhause mit dem Instrument wurde leidenschaftlich und verbissen durchgeführt. Irgendwie nutzten wir besessen die Droge „Musik“ als sozial-verbindendes Element in der Musikgruppe.
Ich beginne einfach im Jahr 1964.
Da war ich 12 Jahre alt. Bis zu meinem 10. Lebensjahr lebte ich in der Hinterstraße nahe der Weberbachstrasse, wo ich neben dem Palastgarten und den Kaiserthermen aufwuchs.
Nun waren wir in Trier-West. Trier-West war verrufen.
Das „Land der fliegenden Messer“ wurde es genannt.
Durch die vielen Flüchtlingsfamilien aus den so genannten Hornkasernen, hatte „mein“ neuer Stadtteil die schärfste Körnung groben Schleifpapiers.
Mein Bruder, der 4 Jahre älter war, hatte mit Freunden begonnen in einer Band zu spielen.
Aber eigentlich gab es gar keine Band, es war mehr das Gehabe darum.
Die Band war aber so gut wie gegründet:
Der Schlagzeuger hieß Tommy und der Gitarrist Jerry.
Dies war ein Bewegungsstrang, den ich zuhause wahrnahm.
Meine eigentliche Berührung mit der Musik, also ich meine Rockmusik, damals wurde das Beatmusik genannt, war im Jugendpfadfinderheim, Christ König, Trier West.
Dort hatten sich einige Freunde zusammen gefunden, die mit so genannten Wanderklampfen herumspielten.
Dies waren Leo Lauter, Damian Knoop, und ich.
Wir quälten uns, „Wipe out“ und „Peter Gun“ auf der Wandergitarre zu spielen, während Leo versuchte, mit Händen oder Stöcken auf Stühlen und Kartons den Rhythmus der „German Bonds“ zu schlagen.
Damian war der Erste, der eine Elektrogitarre bekam und bevor er einen Verstärker hatte, experimentierten wir mit seinem alten Radio mit „magischem Auge“, dessen Leinenbezug vorne weg bebte.
Leo Lauter folgte kurze Zeit danach mit einem Schlagzeug.
Nur ich konnte meine Eltern nicht überzeugen, denn sie waren auch nicht in der Lage mir eine Gitarre, geschweige denn eine Elektrogitarre zu kaufen.
Viel später kaufte mein Vater mir für 5 Mark eine Gitarre aus der Nachbarschaft und ich versuchte alles aus ihr herauszuholen…..!
Kurze Zeit später traf ich die alten Freunde wieder im Proberaum von Christ König und musste feststellen, dass sie schon bestens ausgerüstet waren und mittlerweile der Bruder von Leo Lauter, genannt Fatz, prima probten und ich war tief beeindruckt von dem Sound und gleichermaßen tief traurig, dass ich nicht mitspielen konnte.
Es dauerte dann auch nicht sehr lange, dass diese Band „The Kinks“ Karriere machte, in dem Sinne, dass Leo Lauter als der „kleinste Schlagzeuger Deutschlands“ im „Trierischen Volksfreund“ bezeichnet wurde, als sie als Vorgruppe von den „Lords“ im Apollokino in Trier und später mit den „Rattles“ als Vorgruppe spielten.
Dieses Konzert mit den Lords in Trier war meine erste Liveveranstaltung, die nicht nur ich als phänomenal erlebte.
Die Türen des Apollotheaters wurden fast eingedrückt durch die Menschenmassen.
Leo führte mich nach seinem Auftritt hinter die Bühne, wo die „Lords“ saßen und ihre Zigaretten rauchten oder ihr Equipment prüften, ect..
Als 13jähriger empfand ich diese Situation bei den „Stars“ zu sein als so euphorisch, dass ich den Gitarristen fragte, ob er nicht eine alte Gitrarrenseite hätte, die ich als Andenken mitnehmen könnte.
Man machte sich darüber ziemlich lustig und ich war sehr verlegen!
Der eben schon erwähnte Jerry Sachs spielte und probte auch im Don Bosko Heim in Trier West. Die Band von ihm hieß „The G-Mans“.
Im Don Bosko Heim probten viele Bands und eigentlich hätte der Leiter, Pater Kurt Scholten, ein Benediktinermönch mit den dicksten Brillengläsern die ich je sah, für sein fortschrittliches Engagement und seine Arbeit ein Bundesverdienstkreuz verdient, da er sehr umsichtig und tolerant mit der Jugend umging.
Jedenfalls war hier eine Adresse, von der sehr viel musikalische Ein-flüsse ausgingen und wie wir noch hören werden, haben sich hier viele Musiker in frühen Jahren getroffen, die später in bekannteren Forma-tionen spielten.
Zum Beispiel erinnere ich mich an eine Instrumentalgruppe, die „Falkens“ hieß: Beste Stratocaster und Fenderanlagen sowie eine Bass-Drums mit ovaler Formung.
Während ich auf meiner Wandergitarre versuchte Akkorde, Riffs und Solis, die ich im Don Bosko Heim sah und hörte, rauszutüfteln, hatte mein Bruder Ferdinand mittlerweile eine Schlaggitarre von Framus.
Er beherrschte schon mehrere Akkorde unter anderem auch Barre-Griffe, was in dieser Zeit etwas Besonderes war.
Wir versuchten natürlich zusammen zu spielen.
Ich Solo, er Rhythmus, ich Rhythmus er Solo.
Ich konnte meinen Vater überzeugen, dass ich eine andere Gitarre benötigte.
Nicht das er mir einen neue kaufte!
Nein, er ging mit mir in diesen Laden (Musik Hübner, Neyses war noch Lehrling), in dem ich mir eine 12-seitige Framus-Gitarre ausgesucht hatte, und handelte mit Frau Hübner, die sehr nett war, aus, dass ich jede Woche meine 5 Mark Taschengeld zu ihr brachte, um in Raten diese Gitarre abzuzahlen.
Was denn auch so geschah.
Diese Gitarre öffnete mir neue Welten.
Aus 12 Saiten wurden mit der Zeit 6 Saiten und es kam ein Schaller- Tonabnehmer irgendwann dazu.
Diese Gitarre begleitete mich sehr lange.
Ich glaube ich habe Sie später in Berlin in den 80er Jahren in ein Kunstobjekt eingebaut. Jedenfalls Teile davon.
Mittlerweile war ich im 1. Lehrjahr und 14 Jahre alt.
Von der Schule und von den Pfadfindern kannte ich Karli. (Karl Weber)
Karli hatte eine schwarze Elvistolle und irgendwie, ich weiß nicht mehr wann und in welchem Zusammenhang, beschlossen wir eine Band zu gründen.
Durch Karli lernte ich Pitt (Peter Stefanovic) und Uwe (Kesselheim) kennen.
Wir gründeten die Band „The Lonely Ones“.
Glanzvolle Karriere dieser Band waren 2 große Auftritte:
Erster Auftritt war das erste große Rockfestival im Bürgerverein in Trier, wo wir den 9.Platz belegten (1968):
Neben den musikalischen Eindrücken war es interessant, dass sich dort sehr viele Musikerkollegen das erste Mal sahen, die später noch sehr viel Kontakt miteinander haben sollten.
Zum Beispiel traf ich Rainer Benedum dort zu ersten Mal, der mich an seinem Schlagzeug und vor allen Dingen mit einer tollen schwarzen Lederweste, mit riesigen Frasenknöpfen beeindruckte.
Der 2. Auftritt der „Lonley ones“ war irgendwo in einer Stadt im Saarland.
Pitt hatte diesen Gig organisiert.
Da unser Programm nur ca. 7 Stücke beinhaltete, mussten wir dieses Programm mehrmals an diesem Abend wiederholen.
Und wie das so war, kam an diesem Abend auch eine Band aus dem Ort, die dann auch mal spielen wollten und die man auch spielen ließ.
So war das halt.
Geld bekamen wir keins, weil der Wirt behauptete, er müsse die GEMA-Gebühren bezahlen.
Mein Bruder hatte mittlerweile schon Erfahrungen mit Tanzmusik.
T-Musik wurde etwas missachtend betrachtet (auch heute noch…), aber mit Tanzmusik verband man auch Geldverdienen.
Da dies ein nicht zu unterschätzender Aspekt war, gründeten wir eine Tanzmusikband.
Diese nannte sich Hofermika.
Mit Hofermika (Horst, Ferdinand, Michael Karli) hatten wir viele Gigs und Auftritte im Hunsrück, Moselland und Trier.
Da ich 15 Jahre alt war, musste mein Bruder die Verantwortung für mich übernehmen, wenn wir am Wochenende bis in die Nacht Tanzmusik spielten.
Mit dem Auftritt in Kürenz in der Tabaksmühle, verbinde ich eigentlich die schönste Zeit mit dieser Band, nicht zuletzt, weil zur gegebener Stunde die Wirtin selbst als Sängerin auftrat und einige Stücke, z.B. „Am Tag als der Regen kam“ oder „Melancholie im September“ zum Besten gab.
Einmal küsste sie mich sogar nach dem Singen vor dem Publikum, was ich als nicht unangenehm empfand.
Man tingelte von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt und verdiente Geld mit der Tanzmusik, dass meiste Geld verdiente man an Karneval, was aber auch gleichzeitig die größte Strapaze und Überwindung war.
Angefangen von der einfachsten Bauernhochzeit im Hunsrück,
über das Jahresengagement in einer Dorfkneipe mit Tanzsaal, wo man in einem Jahr die ganze Familienplanungen vorgelebt bekam (Filsch), über taktgezählte Musik für den Premiereabend einer Tanzschule, über die zunehmend ausgelassener werdenden Karnevalsauftritten von Menschen, die mit zunehmender Stunde und Promillezahl vulgär bis obszön ihre Phantasien auslebten,
über Rotarier-Bälle, bei denen graue Honoratioren von ihren Frauen begleitet mit einem Tusch und anschließender Tanzmusik geehrt wurden, über menschenreiche Volksfeste, über leere Ballsäle und deren verzweifelten Veranstaltern, bis hin zu bestbezahlten Gigs in Hotelloungen und eingeladenen Familienfeiern, wo am Höhepunkt der Festlichkeiten der uralte Familienzwist wieder ausbrach und den Abend beendete.
Aber es gab auch Abende und Auftritte, bei denen man das Publikum kaum wahrnahm; wo man mit der Musik eins war und wo das Publikum diese Verschmelzung spürte und mit trug.
Diese Form der Musik war mir am liebsten.
In dieser Zeit gab es einige Lokale mit Livemusik.
Schade, dass dies heute nicht mehr so ist.
In abgelegener Lage im Wald, oben an der Bitburgerstr., gab es ein Lokal, mit halbseidenem Ruf:
Die Wilhelmshöhe!
Ich erwähne die Wilhelmshöhe, weil sie gewissermaßen eine Institution war und ein musikalisches Mekka für viele Trierer Musiker darstellte, sodass der Einfluss für uns alle in dieser Zeit außerordentlich war.
Die Wilhelmshöhe war rau, schmutzig, subversiv, aber sie war eine Institution.
Warum?
Wenn in Trier die anderen Lokale in der Nacht schlossen, öffnete die Wilhelmshöhe gerade ihre Türen.
Dort spielten Live-Bands zumeist aus England, Indonesien und manchmal auch aus den USA.
Hier tummelten sich die stationierten amerikanischen Soldaten, meist aus Bitburg.
Und es war ein Umschlagplatz für Mädchen und Drogen.
Und es herrschte eine laute, ausgelassene und rauere Stimmung als in den amerikanischen Offiziers-Clubs sonst, wo wir auch schon manchmal spielten.
Obwohl dieses ganze Milieu eher Unwohlsein und manchmal be-ängstige Ausstrahlung auf mich hatte, gab es dennoch einen Reiz, wahrscheinlich der Reiz des Illegalen und des Verbotenen, der unsere Anwesenheit motivierte.
Nicht zuletzt deswegen, (und es ging nicht nur mir so), weil wir schon mit 14 oder 15 Jahren nach der Tanzmusik oft diesen Club aufsuchten.
Ich erinnere mich, dass ich mich desöfteren in der Toilette und in den Hinterräumen versteckten musste, wenn die deutsche Polizei oder die GIs kontrollierten.
Die Musik dort zu hören war eine großartige Offenbarung!
Profi-Musikern gegenüber zu stehen, hautnah ihre Läufe auf der Gitarre zu erleben, der Schweiß, der Rauch, der Tanz der GoGo-Girls, alles echt und authentisch und so pur im Raum, dass der Bass physisch in den Magenwandungen zu spüren war.
Aber es gab auch schlimmer Dinge zu berichten:
Erich Pützer, ein befreundeter Gitarrist aus Trier, der bei „Holzwurm“ eine Zeit lang Bass spielte, wurde mit seiner Freundin auf der Wilhelmshöhe von einem amerikanischen Soldaten angegriffen.
Derart, dass Ihm der Soldat eine abgeschlagene Flasche ins Gesicht stach….Erich überlebte, aber sein Gesicht erzählt noch heute davon.
Die Wilhelmshöhe war dennoch einzigartig.
Diese Erfahrungen und meine Erlebnisse in den Offiziersclub haben nicht nur musikalisch nachhaltig Eindruck hinterlassen, sondern auch eine Sympathie für die Amerikaner in dieser Zeit.
Von da her konnte ich mir erst in den späten 1980er Jahren den Wunsch erfüllen, dass ich mit Frau und Kind längere Zeit in Amerika arbeiten, ausstellen und leben konnte.
Aus diesen Einblicken und Erfahrungen und aus gegenwärtiger Sicht über politische und gesellschaftliche Bewegungen in den USA, hat sich meine naive und bewundernde Haltung zu Amerika von damals stark relativiert, insbesondere durch die aktuellen Kriegsbegebenheiten, aber auch schon in der Vergangenheit durch die Politik eines Bushs sen., Reagans und natürlich gegenwärtig eines Georges Bush.
Durch die Tantiemen der Tanzmusik konnte ich mir endlich eine „anständige“ E-Gitarre kaufen:
Einen Gipson-Nachbau von Hoyer.
Es war die schwarze Les Paul, die ich nach einigen Jahren mit Hambacking Tonabnehmern, die ich in London erworben hatte, versah; sodass ich einen wirklichen Gibson-Klang zu hören glaubte.
Eine zeitlang übermalte ich den „Hoyer-Schriftzug“ oben am Gitarrenhals mit dem Gipson-Emblem.
Außerdem kaufte ich mir einen kleinen Fender-Reverb, der mich lange begleitete und den ich heute noch besitze.
In Trier-Kürenz, nicht weit weg von der Tabaksmühle, sollte auch das nächste Epizentrum musikalischen Lernens und Erlebens, aber auch freundschaftliche Verbundenheit, stattfinden.
Ich lernte Äbby Simons kennen, dessen Vater ein Musikgeschäft in Trier betrieb.
Äbby Simons spielte Bassgitarre, sein Bruder Manfred, genant Manny, spielte Schlagzeug und der Nachbar, nämlich Werner Nossem, spielte auch Gitarre.
Die Band nannte sich „Fox-Popoli“ und ich muss sagen, wir übten ernsthaft im Keller von Äbbys Oma, insbesondere Stücke von Thetro Tull, natürlich den Beatles und „eigene Stücke“.
Zu einer Probe, es muss im Jahre 1969 gewesen sein, brachte Äbby einen bekannten Trierer Schlagzeuger mit, den ein hervorragender Ruf begleitete:
Dies war Martin Hermann!
Wir hatten in der Nähe von Bonn einen „großen Auftritt“ in der Aula eines Gymnasiums, wo mindestens 30 Personen erschienen waren.
Auch einige unserer „Trierer Fans“ waren mit angereist.
Der Abend war viel zu laut, aber wir fuhren alle mit einem erfolgreichen Gefühl nach Hause.
Werner Nossem war ein hervorragender Musiker, er spielte nicht nur Gitarre, sondern auch Klavier wie sein Vater.
Werner Nossem war eine charismatische Person, über die Musik hinaus, aber gleichermaßen auch eine dramatische Figur, die leider ein zu frühes und trauriges Ende erfuhr.
Ich lernte eine Menge von ihm und ehrlicherweise muss ich sagen, dass er zu dieser Zeit mein „Meister“ war.
Leider konnte Werner bei den Entwicklungen auf das Equipment bezogen, nicht mithalten, weil er keinen finanziellen Möglichkeiten hatte.
Die Band brach auseinander, zurück blieben Äbby und ich.
Wir orientierten uns neu.
Die Musik wurde lauter. Unserer Haare wuchsen länger, und unsere Verstärker wuchsen ebenfalls zu Türmen.
Mittlerweile war Karly (Karl Weber) Schlagzeuger in der Gruppe von Fox-Popoli geworden.
Ein Trio zwischen Hard Rock und Heavy Metall, orientiert an „Creme“, aber mit dem Anspruch, eigene Stücke zu gestalten.
Ein „großer Auftritt“ im Saarland, ich glaube in Dillingen, war sehr er-folgreich.
So erfolgreich, dass wir sogar zum ersten Mal Autogramme gaben, worüber wir wirklich verlegen waren…!
Im Don Boskoheim (Das muss so um 1966 oder 1967 gewesen sein), hörte ich eine Gruppe, in der besonders der Organist und der Bassist hervorstachen.
Der Organist hieß Bernd Schönhofen und der Bassist war Dieter Neyses.
1970 trafen wir uns wieder!
Bernd Schönhofen ein Musiker, dem man eine professionelle Zukunft aufgrund seines Talentes voraussagte, nahm mich in seine Tanzmusik-Truppe auf (1970).
Hier waren die Stücke schon anspruchsvoller und ich lernte viele neue Stücke und Harmonien, Akkorde und Rhythmen.
Überhaupt wurde der Umgang mit der Musik, auch durch Bernds konsequentes Probeverhalten, ein anderes; ein neues für mich.
Die musikalischen Ansprüche wuchsen mit der technischen Versiertheit.
Die ersten Berührungen mit Jazz-Akkorden fanden in dieser Zeit statt.
Unser Tanzmusik Drummer, Olli Kaiser, hatte einen Fabel für Swing und Bernd mit seiner B3-Hammond Orgel, den originalen Jimmy Smith-Sound.
Über Bernd Schönhofen lernte ich nun auch Martin Hermann musikalisch schätzen und mit dem Bassisten Dieter Neyses, der übrigens mit mir an der FH im gleichen Jahrgang Innenarchitektur studierte, gründeten wir die Gruppe „Holzwurm“.
Manchmal kam noch ein Gitarrist dazu: ein Gitarrenbauer mit einer tollen Fender-Stratocaster.
Eine Zeit lang spielte auch der Gitarrist Karli Schultz bei Holzwurm mit, den ich auch als sehr versierten und solobegabten Gitarristen schätzen lernte.
Last but not least, zwei Bläser:
Michael Trierweiler an der Posaune und der Saxophonist Günther Marxen. Martin und Bernd ergänzten sich hervorragend als Analytiker und Arrangeure.
Heute kann ich es sagen:
Die Erfahrung mit dieser Konstellation bedeutete für mich einen Aufstieg und einen Einstieg in neue Möglichkeiten, im Umgang mit dieser Musik und mit meinem Instrument.
In dieser Riege lernte ich eine Menge und mir war, als ob ich eine Art „höheren Weihen“ erhielt.
Die Proben wurden komplizierter und anspruchsvoller, sie mischten sich mit intellektuellen Ansprüchen, denn die Musik hieß „Rock-Jazz“.
Vom Rock kamen die meisten von uns, und mit Jazz verband ich eine relativ unbekannte, aber reizvolle, komplizierte Harmoniewelt.
Jedenfalls eine Freiheit, die ich bis dato noch nicht kennen gelernt hatte.
Nach den Proben hörten wir uns die Tonbänder vom gleichen Abend an und fachsimpelten über Verbesserungsvorschläge, Fehler oder Missklänge.
Besonders die Treffen bei Michael Trierweiler zu hause habe ich in guter Erinnerung:
Er legte oft Schallplatten von berühmten Jazzgrößen, wie Charles Mingus, Dissy Gillespie oder Charly Parker auf.
Diese Musik bewusst zu hören war für mich neu!
Sie beeinflusste und prägte mich nachhaltig.
Ich merkte, dass hier Musik ein System darstellte, dass sehr stark durch eine Persönlichkeit, durch eine Lebenshaltung geprägt war, die sich in der Musik manifestierte.
Die Konsequenz für mich daraus war, dass ich Stücke nicht mehr nur nachspielen oder covern wollte, sondern vielmehr interessierte mich ein Zustand, eine Versiertheit zu erlangen, die in der Form vielleicht etwas mehr über die Gefühlslage des Menschen aussagt und somit vielleicht einen Ausdruck erlangt, der als Ideal mit den Expressionisten in der Bildenden Kunst vergleichbar wäre.
Dies waren hohe Ziele und sind es immer noch.
Es ist eine Haltung, die ein Leben lang anhalten kann und einen zum Suchen und Finden veranlasst.
Heute würde ich diesen Zustand mit dem Synonym: Der Weg ist das Ziel, benennen.
Aber zurück in die Vergangenheit:
Holzwurm war beeinflusst durch Gruppen wie Nukleus, Volker Kriegel, also United Jazzensemble und Softmaschine.
Wir versuchten technische Rhythmen und Läufe mit improvisatorischem Ausdruck, soweit uns das möglich war, zu verbinden, also thematische klare Vorgabe mit Improvisation zu kombinieren.
Holzwurm war ein Experiment!
Das Labor für dieses Experiment hieß „Exzellenzhaus“.
Das Ex-Haus war ein Aufnahmelager für alle möglichen „musikalische Flüchtlinge“ und es hatte schon eine Beat-Tradition:
Es gab schon in den frühen 1960er Jahren vielen Gruppen die Möglich-keit, so z.B. den „Rats“ öffentlich aufzutreten.
Ohne Ex-Haus wäre die musikalische Sozialisation vieler Trierer Musiker anders verlaufen.
Das Exzellenzhaus mauserte sich Ende der 1960er Jahre zu einem jugendkulturellen Zentrum, in dem verschiedene Aktivitäten stattfanden, und wo insbesondere für Bands und Musikgruppen Räumlichkeiten zur Verfügung standen.
Dies war außerordentlich lobenswert und ist es immer noch und ich möchte an dieser Stelle Lothar Blum, dem ersten Leiter des Exzellenzhauses und seinem Nachfolger für ihr Engagement danken.
Und für die Möglichkeiten, die sie uns durch ihr Verständnis gaben.
Nicht umsonst fand auch eine Kunstausstellung im Exzellenzhaus im Jahre 1971 mit meinen Zeichnungen statt.
Die Gruppe „Fomal“ sollte noch kurz Erwähnung finden, dass sie den Traum vom professionellen Spielen und Reisen als einzige Gruppe im „Ex.“ für eine gewisse Zeit konsequent ausführte und durchlebte.
Verschiedene Musiker um Klaus Lehmann kauften einen alten LKW, mit dem sie durch Frankreich fuhren. In dem sie lebten und auch ihr Equipment mit sich führten.
Manchmal habe ich diese Gruppe aus diesem Grund beneidet.
Martin Hermann wurde ein Freund und er infizierte mich nicht nur musikalisch, sondern auch als Aquarianer und Angler.
Während wir seine Skalare in seinem riesigen Aquarium betrachteten, legte er die neusten Schallplatten auf und wir inhalierten durch die Augen und die Ohren.
Die „Holzwürmer“ wurden: elitär, autistisch, unkommerziell, progressiv, und meditativ.
Wir wollten einfach anders klingen!
Wir gewannen den ersten Preis bei einem Rockfestival in Trier (Mariahof).
Die wenigen Konzerte, die wir in Trier gaben, waren immer gut besucht und waren kleine Sternstunden.
Eine gewisse musikalische Esoterik überkam uns, die aber einen Anspruch pflegte und eine Qualität provozierte.
Ich entwickelte parallel zu „Holzwurm“ mit Rudolf Holbach, einem durchaus begabten Schreiber und Sänger, ein Programm mit Klassischer Gitarre und mit deutschen Texten, z. Teil von Rolf Biermann, Kurt Weil, Bert Brecht, etc., und selbst komponierten Stücken.
Rudolf lieferte den Text und ich die Musik.
Neben der musikalischen Herausforderung in diesem Projekt war die Auseinandersetzung mit den z. Teil politischen und gesellschaftlichen Texten für mich eine „bewusstseinsbildende Maßnahme“.
Diese Tätigkeit war durchaus auch eine Art von Willensbildung als Musiker oder Künstler in der Gesellschaft.
Rudolf und ich hatten auch über die Musik hinaus interessante Gespräche über Philosophie, Religion und Politik.
Zurück zu „Holzwurm“:
Mit dem Bassisten von „Holzwurm“ Dieter Neyses war ich sehr gut befreundet.
Dieter hatte auch künstlerische Ambitionen und war gewissermaßen der Intellektuellste und Radikalste unter uns.
Seine Kritik am Establishment äußerte sich z.B. in der Aufforderung, jedem Mercedes den „Stern“ abzubrechen.
So waren wir voller Widersprüche, aber auch voller schlummernder Qualitäten.
Dieters musikalisch totalitärer Anspruch, der in Richtung Freejazz zu dieser Zeit ging, provozierte damals unvergessene Sessions, die ich mit ihm neben „Holzwurm“ durchführte und die mich stark prägten.
Überhaupt waren wir nicht nur in der Musik sehr experimentierfreudig: durch Dieter kam ich zur Photografie, zu Gottfried Benn und Hermann Hesse.
Wir identifizierten uns beide mit dem „Steppenwolf“.
Von „Holzwurm“ gingen einige Parallelstränge aus:
Martin Hermann und Michael Trierweiler sowie der Saxophonist Günter Marxen, spielten noch regelmäßig in einer Dixie-Band.
Bernd Schönhofen praktizierte auch weiterhin anspruchsvolle Tanzmusik.
Er betrieb auch kurze Zeit ein Musikgeschäft in Trier, aber ich erinnere mich auch an eine musikalische Aufführung in Biewer, in der Mehrzweckhalle, wo das Musical „Hair“ aufgeführt wurde, mit einigen Musikern von „Palma Gunkel“ sowie Günther Klotz, (den ich später in Berlin wieder traf und mit dem mich eine lange Freundschaft verbindet), und natürlich Bernd Schönhofen, der, so glaube ich, die musikalische Leitung bei diesem Musical übernommen hatte.
Irgendwann hatte Bernd Trier verlassen.
Keiner wusste wo er war, so schien es.
30 Jahre später erfuhr ich, dass er in der Nähe von Köln ein Musikstudio gegründet hatte.
Bei Bernd hatte ich den Eindruck, dass die musikalischen Interessen eines hochbegabten Musikers plötzlich mit geschäftlich-spekulativen Motiven vermischt wurden, was mich etwas wehmütig stimmt.
Aber er spielt heute noch in einer Cover-Band.
Was die Tanzmusik betraf, so gab es mehrere Bands, mit denen ich auf verschiedenem Niveau, neben „Holzwurm“, musizierte.
Zu erwähnen wäre die Big-Band „Alb Hardy“ von Edgar Bösen.
Dieser Name war auch Synonym und meine Teilnahme in dieser Band betraf vielleicht 3 oder 4 Auftritte.
Dennoch machte diese Band sehr gute Musik.
Insbesondere im Bereich des Bläsersatzes war diese Gruppe einmalig in Trier zu dieser Zeit.
Eine andere Band, mit der ich jahrelang durch die Gegend tingelte, mit viel Erfolg und viel Spaß war die Gruppe Penny-Saints.
Eine Gruppe von der noch zwei Mitglieder der alten Besetzung geblieben waren:
Benny Kündgen und Dietmar Tappe und ein Organist mit einer B3, der ein notorischer Verspieler war. Dennoch hatte es Spaß gemacht.
Benny Kündgen war als Schlagzeuger mit der Gruppe „Black Cats“ sehr bekannt geworden und diese hatte schon in den 1960er Jahren eine LP veröffentlicht.
Die Gruppe „Black Cats“, mit dem Organisten Petro, war insbesondere durch Soul-Stücke von Ray Charles und Otis Redding, bekannt geworden. Mit Recht!
Sie hatten zwei schwarze Sänger als Frontmänner, die hervorragend zusammen korrespondierten.
Einer von ihnen hatte manchmal Auftritte bei den „Penny Saints“.
Ein begnadeter Sänger! Sein Name: Bill March.
Mit den „Penny Saints“ spielten wir häufig in den amerikanischen Offiziers-Clubs, in Bitburg oder Hahn.
In sehr guter Erinnerung habe ich auch noch die Gruppe „Meteors“.
Am Bass der vielseitigste Bassist Triers:
Wolfgang Thiel, Drums: Gerd Irmen, E-Piano, Keyboard: Christian Wend, Saxophon: Walter Scherbaum.
Wir hatten einen Dauergig von ca. 6 Monaten in Nittel an der Mosel, wo wir durchaus einige gute Arrangements gestalteten und darboten.
Aber auch Lieder mit französisch klingenden Texten, die gar nicht französisch waren, vom Publikum aber mit viel Applaus honoriert wurden.
Die Gigs in den Offiziers-Clubs der Amerikaner, waren sehr beliebt, da es dort „gutes Geld“ zu verdienen gab und überhaupt die Verpflegung und das Ambiente stimmte.
Aber es kommt noch eine andere Dimension dazu, wenn ich darüber nachdenke, was die Qualität dieser Auftritte in den Clubs ausmachte:
Die Sympathie für den „amerikanischen Sieger“, kannten wir von Kindheit an.
Amerika schien etwas zu haben, was wir nicht hatten.
Amerika schien Wohlstand, Freiheit und Sicherheit zu vermitteln:
Die Amerikaner waren meist freundlich, großzügig und entgegenkommend.
Die GIs mit ihren meist deutschen Freundinnen waren sympathisch sowie uns und der Musik aufgeschlossen, außerdem kamen sie aus einem Land, wo die Pop-Musik an Bäumen wuchs, und wo man die Sprache sprach, mit der die Lieder der Beat- und Pop-Musik getextet waren.
Zurück in die 1970er Jahre:
Dem „Professor“ Rolf Berres im Ex-Haus, hatte ich eine Refox A 77 , 4 Spur Tonbandmaschine abgekauft, mit der ich unsere Auftritte, aber auch unsere Proben mitschnitt. (Dieses Gerät hat mich bis heute nicht im Stich gelassen und ich habe viele Aufnahmen, insbesondere auch für Filme damit vertont).
Mit diesem Gerät hatte ich auch die Möglichkeit Mulitplaybackaufnahmen aufzunehmen: eine Möglichkeit, mehrere Aufnahmen übereinander zu spielen.
Ein Gitarrist erster Sahne: John McLaughlin
Insbesondere durch seine Aufnahmen mit der akustischen Gitarre, begann ich selbst mit der Akustikgitarre zu experimentieren.
Es entstanden einige Kompositionen, die aber nicht in das Konzept von „Holzwurm“ passten.
Während Holzwurm sich darauf konzentrierte immer perfekter und besser Stücke zu covern, lag es mir doch mehr daran, eigene Stücke und so etwas wie ein Eigenausdruck zu finden, unabhängig von Spekulationen und „Publikumsgeschmack“.
Ich gründete die Gruppe „Mephisto“ im Jahre 1971.
Wir probten aber weiterhin im Exzellenzhaus.
„Mephisto“ sollte teuflisch gut sein, jedenfalls trieb uns alle dieser Anspruch an.
Und ich denke nicht zu übertreiben, wenn ich sage, dass Alfred Zehren als Drummer, dieses „Teuflisch-Angetrieben“ sein, am Schlagzeug durchaus demonstrierte.
Eine sehr gute Ergänzung dazu war Detlef Hill am Bass, der für alles offen war.
Mit Detlef spielte ich desöfteren Gitarre und Sitar, eine schöne Erinnerung!
Am Keyboard und E-Piano war Christian Wendt.
Christian gelang es auch, wie es zeitgemäß war, den Synthesizer mit in die Musik einzubauen.
Christian war und ist ein hervorragender Pianist und Keyboarder mit stoischer Ruhe.
Bei den Anfängen war auch Manny Welter mit seinem Saxophon dabei.
Was aus ihm geworden ist, weiß ich nicht.
Als er ging, kam ein junger Geiger dazu, der Norbert Lauer hieß.
Beeinfluss von John McLaughlin „The inner Mounting Flame“, sowie Jean Luce Ponty, Terji Ripdale und Larry Coryell, entstanden ausschließlich instrumentale Stücke, die ein Leitthema trugen, plus Improvisationsteilen, die sich ausgiebig in oft psychedelische oder bluesig-jazzige Sphären verliefen.
Zeitweise hatte ich einen Cellisten mit in der Band, der aber nach kurzer Zeit wieder ging.
Überhaupt war meine Intention in Richtung akustische Instrumente zu gehen.
Heute würde man „unplugged“ sagen, aber scheinbar waren wir dafür noch nicht reif.
Meine Zeit in Trier jedenfalls ging zu Ende, denn ich beschloss im Sommer 1973 nach Berlin zu siedeln, um dort Kunst zu studieren.
In den ersten Jahren wenn ich zu Besuch in Trier war, gab es mit „Mephisto“ noch kleine Sessions.
„Mephisto“ spielte mir ihre neuen selbst komponierten Stücke vor, und ich musste feststellen, dass diese Stücke sehr Schlagzeug orientiert waren.
Rhythmisch vom Bass dominiert, ja, fast mechanisch anmutend.
Durch die Entfernung zu Trier gingen auch die Kontakte zu den musikalischen Freunden in Trier mehr und mehr auseinander.
Neben meiner großen Orientierung zur Kunst, in der ich eine neue Lebensaufgabe sah, spielte die Musik dennoch eine nicht zu unterschätzende marginale Rolle, hatte sie mir doch bisher ein Beispiel obsessiver Medialität offenbart, die nicht weit von der Bildenden Kunst entfernt lag.
Mit Gerry Bruch lebte ich anfangs ein halbes Jahr in einer WG in Berlin Neukölln. Gemeinsam hatten wir einige schönen „Gitarrenbegegnungen“.
Innerhalb unserer Ateliergemeinschaft von Kunstsudenten in Berlin, gab es auch musikalische Tendenzen.
Insbesondere mit Konrad Hohmeier (Bassist der „Neon-Babys) tauschte ich mich musikalisch aus.
Auch er war insbesondere am Gitarrenspiel interessiert.
Es gab in dieser Zeit noch ein mehrmonatiges Intermezzo mit einer relativ professionellen Jazz-Rock-Formation, wobei ich meine Grenzen kennen lernte, da ich nicht nach Noten spielen kann.
Durch Konrad Hohmeier lernte ich einige Musiker kennen, die sich am Deutsch-Rock, bzw. „Neue Deutsche Welle“ orientierten.
Dieser Trend erinnerte mich jedoch zu stark an die Tanzmusik.
Mir sagte diese Musik persönlich nicht zu, was dem Erfolg dieser Band, die sich dann später „Ideal“ nannte, keinen Abbruch gab.
Wenn mir auch in dieser Zeit das Musikmachen in einer Band nicht mehr so wichtig schien, so war das Spielen, das kontinuierliche Üben auf der Gitarre doch eine begleitende Angelegenheit, die ich bis heute beibehalten habe.
Ca. 1980 begann ich eine Arbeit neben dem Studium im Kinderschutzbund, im „tiefsten“ Berliner-Wedding.
Ein sozialer Brennpunkt mit großer Reibungsfläche, insbesondere für die dort lebenden Kinder.
In einem offenen Kinderladen in der Amsterdammerstr. 13, arbeitete ich 7 Jahre.
In diesen 7 Jahren, begleitete ich die 5 jungen Leben:
Ein Türke (Tamer), zwei Brüder aus Jugoslawien (Joso und Nico), sowie zwei Berliner Jungs (Frank und Detlef) in der Band „A13“.
Als aus den Kindern Jugendliche geworden waren, spielte ich auch selber mit und wir hatten mehrere erfolgreiche Auftritte in Berlin.
Musik war hier nicht nur ein bildendes, sondern auch ein integrierendes Medium:
Einige dieser „Jungs“ machen heute noch Musik!
Im Jahre 2005 lud ich fast alle hier in diesem Text genannte Musikerfreunde mit ihren Frauen nach fast 30 Jahren zu mir in die Eifel ein, um über die alte Zeit, aber auch über die neue Zeit zu sprechen.
Es war ein schönes Wiedersehen!
Sehr viele folgten der Einladung.
Grundsätzlich muss man sagen, dass sich die Musik auch heute noch bei allen durchweg als ein verbindendes Element darstellt.
Wie ein unsichtbarer Faden verbindet die Musik, wie Perlen an einer Schnur.
Die Perlen sind austauschbar, der Faden als Solches, als Ganzes bleibt.
Seit dem Jahr 2007, in dem ich diese Zeilen begann zu schreiben, hat sich mein Umgang mit der Gitarre wieder intensiviert.
Ich kann mich in ihr verlieren….!
Ich bin fasziniert von neuen Akkorden, die ich finde und von Melodieläufen, die mir heute ganz anders von der Hand gehen.
Ich spüre, dass Schnelligkeit und Intonation eine Frage der Mentalität, der Konzentration und der Kontemplation ist.
Seit Februar 2007 nun spiele ich mit dem Gitarristen Christian Hardt zusammen und wir versuchen ein Repertoire mit eigener Musik zu entwickeln.
Über Rockharmonien bis zum Jazz und Bossa Nova etc..
Auch wenn jeder von uns andere Wurzel besitzt, so ist es doch gerade deshalb spannend, gemeinsam zu spielen, auch wenn das Ziel offen bleibt.
Wenn ich nun resümierend diese intensive Zeit in Trier betrachte, so hat sie mir viel gegeben in der Kommunikation und freundschaftlichen Bindung über die Musik hinaus.
Die Ritualisierung und Obsession „unserer“ Musik verband uns und wir waren, ohne dass wir dies damals wussten, Sub-Kultur.
Sub-Kultur war immer kreativ, originell, eigen, radikal.
Sobald sie zum Mainstream wird, verliert sie meist diese Eigenschaften.
Der Mainstream hat natürlich andere Vorzüge:
Z.B.Popularität, Anerkennung, finanzieller Erfolg. Als Musiker oder Künstler diesen Balanceakt zu halten, einerseits die subkulturellen Qualitäten zu pflegen und andererseits die Vorzüge des Mainstreams zu genießen ist fast schon eine ethisch-moralische Frage, die jeder für sich selbst beantworten muss.
Am Ende ein Wunsch – eine Traumszene:
Ein großes Fest, bei dem sich die ganzen Namen, die ich nannte aus dieser kleinen Historie, aber auch die, die ich vielleicht vergessen habe, die aber dazu gehören, treffen.
Wie zu einem „großen Finale“ nach einem Theaterstück.
Ein Abend, der vielleicht von den Beteiligten selbst durch alte Bilder, Aufnahmen, Anekdoten, ect…gestaltet wird und von einer Trierer Rocklegende (?) moderiert würde.
Vielleicht im Bürgerverein, wo damals das erste Beat-Festival stattfand !?
Michael Schulze im Januar 2008