BALLISTISCHE RELIEFS 1 – 3
2004/05, verschiedene Materialien, Glas sandgestrahlt, 90×70 cm
Ballistische Reliefs – Die Anatomie des Schusses
In dem Triptychon „Ballistische Reliefs“ werden Jagdwaffe, Ziel und Projektil in eine ästhetische Ordnung überführt, die weder Jagdromantik noch Trophäenkult reproduziert, sondern die Gewalt selbst seziert. Es sind keine Erzählungen von Heldentum, sondern stille Protokolle eines Vorgangs, der sich in der Spannung zwischen Technik, Macht und Ethik entfaltet.
Das Gewehr ist nicht Werkzeug, sondern Chiffre. Seine Mechanik ist ausgestellt, als Teil eines anatomischen Lehrmodells, das sich weniger an den Jäger als an den Betrachter richtet. Der Weg der Kugel – visualisiert durch ein bewegliches Röhrensystem – gleicht einer gedanklichen Schleife: Die ballistische Bewegung wird zur Reflexionsfigur. Der Schuss verliert seine Linearität und wird zur Spur einer Entscheidung.
Entlang dieser Spur taucht das Jagdziel auf – mal als stilisierter Tierkörper, mal als Fragment, Fellstück, abstrahierter Schädel, eingebettet in Glasröhren, Trophäenelemente oder Messinstrumente. Es sind keine Opferdarstellungen im klassischen Sinn, sondern Splitter einer gestörten Beziehung: Zwischen Mensch und Tier, Subjekt und Objekt, Kultur und Natur.
Überlagert werden diese Objektkompositionen von Schriftfragmenten, sandgeblasen auf das Glas: Formulare, Bewertungskriterien, Terminologien der Trophäenschau. Die Sprache wirkt wie eingefroren – weder ganz lesbar noch sinnlich greifbar. Sie bleibt im Raum hängen wie ein bürokratischer Schleier über dem toten Tier. Der Text dient nicht der Aufklärung, sondern der Entlarvung – er macht sichtbar, wie rationalisiertes Sprechen Gewalt verschleiert.
Was diese Reliefs offenlegen, ist nicht der Jagdakt, sondern dessen kulturelle Codierung. Die Tötung ist bereits in die Sprache, die Technik, das Ritual eingelassen. Das Werk rahmt nicht das Ereignis, sondern das System dahinter.
Dr. Pelle Solus
Skizzen zu BALLISTISCHE RELIEFs, 2004/05, Bleistift auf Papier, je 29,7x21cm
BALLISTISCHE RELIEFS 1 – 3, 2004/05, verschiedene Materialien, Glas sandgestrahlt, 90×70 cm